Du hast wenig Zeit, möchtest aber trotzdem mitbekommen, um was es bei den Diskussionen und Demonstrationen rund um Artikel 11, 13 und der gesamten EU-Urheberrechtsreform geht? Dann haben wir hier ein kurzes Video der Tagesschau für dich. Mehr gibt’s direkt darunter!
First things first: Was sagen wir dazu?
Bereits auf unserer diesjährigen Unterbezirkskonferenz haben wir einen Antrag beschlossen, in dem wir eine grundsätzliche Ablehnung von Upload-Filtern fordern. Pläne, die zur Einführung eines Upload-Filters führen würden, lehnen wir ebenfalls kategorisch ab. Artikel 11 und Artikel 13 in der jetzigen Form lehnen wir ab!
Und auch unsere Europaparlamentsabgeordnete Martina Werner spricht sich klar gegen Artikel 13 und Uploadfilter aus. Gemeinsam mit Timo Wölken (MdEP) lädt Martina am Donnerstag, den 14. März 2019, nach Kassel zu einer Diskussionsveranstaltung zur Urheberrechtsreform und Uploadfiltern ein.
Auf Pledge2019 findet ihr weitere Politiker, die versprochen haben, gegen Artikel 13 zu stimmen – unter anderem Martina Werner!
Und was kann man jetzt noch machen?
- Anrufen! Auf Pledge2019 sind Abgeordnete mit Telefonnummern hinterlegt – auch von denen, die noch nicht zugesichert haben, dagegen zu stimmen
- Hingehen! Bürgersprechstunden, Wahlkampfveranstaltungen, Demonstrationen
- Mit anderen reden und informieren!
- Martina Werner wählen! Sie kandidiert am 26. Mai wieder für das Europaparlement. Wir unterstützen Sie vollkommen!
Mehr Infos? Gibt’s hier!
Was fordert Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform?
Die aktuelle Diskussion dreht sich vor allem rund um Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform. Den entsprechenden Vorschlagstext findet ihr dazu u.a. hier ab Seite 65.
Zusammengefasst: Anbieter von Plattformen, auf denen urheberrechtlich geschützte Inhalte hochgeladen werden, sollen dafür haften, wenn geschütztes Material hochgeladen und nach Aufforderung der Rechteinhaber nicht gelöscht wird. Darüber hinaus sollen sie dafür sorgen, dass das geschützte Material nicht wieder hochgeladen wird.
Befürworter der Reform denken hier vor allem an Plattformen wie YouTube, die effektiv weniger Geld an Künstler zahlen, als andere Plattformen, die explizit mit nutzergeneriertem Inhalt arbeiten wie z.B. Spotify.
Kritiker der EU-Urheberrechtsreform befürchten, dass alle Plattformbetreiber, vom kleinen Start-Up bis zum Milliardenkonzern, nur mit Uploadfiltern überprüfen können, ob hochgeladenes Material urheberrechtlich geschützt ist.
Um zwischen den festgefahrenen Positionen unterscheiden zu können, möchten wir auf die Möglichkeiten schauen, die die EU-Urheberrechtsreform Plattformen gibt, um der Haftung zu entgehen:
„(a) Made best efforts to obtain an authorisation“
Grundsätzlich schlägt die EU-Urheberrechtsreform Plattformen vor, sich Lizenzen für die Inhalte zu besorgen, die auf ihren Seiten hochgeladen werden. Natürlich weiß aber auch die EU-Urheberrechtsreform, dass es schwierig ist, Lizenzen für alle Werke der Welt zu bekommen. Deshalb gehen ihre Vorschläge weiter:
„(b) Made, in accordance with high industry standards of professional diligence, best efforts to ensure the unavailability of specific works and other subject matter for which the rightholders have provided the service providers with the relevant and necessary information, and in any event“
„(c) acted expeditiously, upon receiving a sufficiently substantiated notice by the rightholders, to remove from their websites or to disable access to the notified works and subject matters, and made best efforts to prevent their future uploads in accordance with paragraph (b)“
Bei diesen Formulierungen sehen viele Kritiker zentrale Probleme. Wenngleich im Text das Wort „Uploadfilter“ nicht auftaucht, wurden bisher keine anderen Vorschläge veröffentlicht, wie man die Kriterien der Paragraphen (b) und (c) ohne Uploadfilter erfüllen kann.
Was sind Uploadfilter?
Uploadfilter sind Software-Lösungen, die jeden von Nutzern hochgeladenen Inhalt mit einer Datenbank urheberrechtlich geschützter Werke abgleicht und nur bei Unbedenklichkeit öffentlich macht. YouTube nutzt mit seinem ContentID-System bereits seit 2007 ein ähnliches System, welches über 100.000.000 $ in der Entwicklung gekostet hat und alles andere als fehlerfrei ist: 2015 wurde ein Video einer schnurrenden Katze als Copyright Infringment gesperrt, 2016 eine Universitätsvorlesung zum Thema Urheberrecht – weil in der Vorlesung einzelne Filmszenen gezeigt wurden.
Hier wird deutlich, dass selbst finanzstarke US-amerikanische Firmen, die tonangebend im Internet sind, Probleme haben, automatisiert zwischen geschützten Werken und rechtlich erlaubten Parodien, Memes oder anderen Neuinterpretationen zu unterscheiden. Wenn diese Entscheidung schon für Menschen nicht klar definiert ist, ist es für eine Maschine noch mal deutlich schwieriger.
Aber die EU-Urheberrechtsreform sieht auch Ausnahmen vor: Start-Ups, die jünger als drei Jahre sind und weniger als zehn Millionen Euro Jahresumsatz haben, werden explizit von diesen Regeln ausgenommen. Weiterführende Argumente – pro und contra – sind gut im FAZ-Beitrag „Upload-Filter in der Filterblase“ zu finden.
Und welche Folgen können Uploadfilter haben?
Wie wir gesehen haben, sind Uploadfilter nichts anderes als Klassifikationsalgorithmen. Bei Klassifikationsalgorithmen gibt es grundsätzlich zwei Arten von Fehlern: Bei False Positives werden legale Inhalte als illegal gewertet, bei False Negative illegale Inhalte als legal. Diese beiden Fehler sind immer durch einen Trade-Off verbunden: Wenn Algorithmen entwickelt werden und die Entwickler bei einem False Negative haftbar gemacht werden, tendieren sie im Zweifelsfall dazu, einen Inhalt lieber nicht zu veröffentlichen.
Wird etwas Legales blockiert, kann der Nutzer höchstens zur – im EU-Urheberrecht geforderten – Schiedsstelle gehen. Sollte diese im Sinne des Nutzers entscheiden, ist die Plattform aus der Haftung raus und kann den Inhalt immer noch veröffentlichen.
Das hat auch Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit: Axel Voss (Berichterstatter im EU-Parlament und damit treibende Kraft hinter der Reform, CDU) äußerte sich zu möglichen Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit im Handelsblatt:
„Ich kann nicht dafür garantieren, dass die Maßnahmen, die Plattformen ergreifen um ihrer Haftung gerecht zu werden, hundertprozentig arbeiten und deshalb die Meinungsfreiheit auch mal eingegrenzt wird.“ – Axel Voss
Die hohen Entwicklungskosten von Uploadfiltern haben wir eben schon angesprochen. Sie zeigen außerdem, dass kleinere Unternehmen entsprechende Uploadfilter nur von Marktführern wie etwa Google, Apple und Facebook lizensieren könnten- was nicht nur zu höheren Einnahmen dieser Firmen und einer Abhängigkeit kleinerer Firmen führen würde, sondern den heute schon datenhungrigen Unternehmen Zugriff auf zahllose weitere Nutzerdaten eröffnen würden. Das sieht auch Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und Informationsfreiheit, ähnlich:
„Letztendlich entstünde so ein Oligopol weniger Anbieter von Filtertechniken, über die dann mehr oder weniger der gesamte Internetverkehr relevanter Plattformen und Dienste läuft.“ – Ulrich Kelber
Und auch weitergedacht: Wenn die EU in der Zukunft eine weitere Änderung des Urheberrechtes beschließt, müsste sie Google und die anderen Firmen darum bitten, ihre Algorithmen anzupassen – was technologisch auch nicht einfach ist.
Was sagen eigentlich Internetunternehmen zum Artikel 13?
Susan Wojcicki, CEO von YouTube, (welches wie Google Teil des Alphabet-Konzernes ist), sieht Artikel 13 gar nicht so kritisch:
„We believe Content ID provides the best solution for managing rights on a global scale.“ – Susan Wojcicki
„Take the global music hit „Despacito“. This video contains multiple copyrights, ranging from sound recording to publishing rights. Altough YouTube has agreements with multiple entities to licence and pay for the video, some of the rights holders remain unknown. That uncertainty means we might have to block videos like this to avoid liability under article 13.“ – Susan Wojcicki
Und was spricht für die EU-Urheberrechtsreform?
Nachdem bisher vor allem auf mögliche negative Konsequenzen und Gefahren hingewiesen wurde, möchten wir aber auch Patz für die Argumente der Gegenseite einräumen:
Befürworter argumentieren ebenfalls, dass es bereits heute Uploadfilter gibt und sie vor allem dann existent bleiben, wenn die EU-Urheberrechtsreform nicht beschlossen wird. Denn mit der Reform würden zwei neue und freiere Möglichkeiten für Plattformen, die mit kulturellen Werten Umsatz generieren, entstehen: Die zentrale Lizenzierung an Rechteinhaber über Verwertungsgesellschaften und Verwerter sowie Pauschalzahlungen. Dadurch würden sogar Uploadfilter überflüssig werden.
Ebenfalls sprechen sich Befürworter dafür aus, dass die Reform Lizenzierung fördern will, nicht Filterung: Artikel 13 wolle Verträge zwischen digitalen Plattformen und Urhebern, die in angemessene Lizenzzahlungen münden, fördern. Nur wenn das nicht möglich sei, sollen Pauschalzahlungen den erwünschten Effekt bringen.
Scheitert auch das, seien Plattformen in letzter Instanz dazu verpflichtet, den Wiederupload gemeldeter Inhalte zu verhindern.
Schlussendlich sehen die Befürworter juristische Vorteile für die Nutzer der Plattformen: Sie seien heute in einer rechtlich unsicheren Position, da sie für die von ihnen hochgeladenen kulturellen Werke haften würden. Ohne eine Erneuerung des EU-Urheberrechtes könne es aktuell jederzeit zu Schadensersatzforderungen an sie kommen. Mit der EU-Urheberrechtsreform seien sie auf der rechtssicheren Seite: Sie könnten hochladen, was sie wollen und die Plattform übernimmt die rechtliche Verantwortung, dass Lizenzvereinbarungen vorhanden sind.
Gibt es Ausnahmen von der EU-Urheberrechtsreform?
Ja. Wie bereits geschrieben, wird zum einen abhängig des Alters der Plattform, als auch des jährlichen Umsatzes differenziert:
„less then three years and which have an annual turnover below EUR 10 million“
Hiermit sollen vor allem Start-Ups geschützt werden. Aber: Wichtigstes Wort ist das „and“ – wenn die Plattform drei Jahre existiert, ist sie verpflichtet, egal wie klein oder groß sie dann ist.
Daneben werden noch weitere Ausnahmeregelungen festgelegt:
„(a) the type, the audience and the size of services and the type of works or other subject matter uploaded by the users;
(b) the availability of suitable and effective means and their cost for service providers.“
Das heißt: Kleine Forenbetreiber könnten durchaus um verpflichtende Uploadfilter herumkommen, auch wenn sie sich nicht darauf verlassen sollten. Ganz klar ist aber: Ein möglicher europäischer Konkurrent für YouTube hätte es äußerst schwierig.
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Quellen: FAZ: Upload-Filter in der Filterblase, 10.03.19; Welt: Der umstritteneArtikel 13 sorgt in Wahrheit für mehr Gerechtigkeit, 10.03.19; Wikimedia: Probleme der EU-Urheberrechtsreform bleiben bestehen, 10.03.19
Besonders bedanken möchten wir uns bei Nikolas Engelhard für die Erlaubnis zur Verarbeitung seiner inhaltlichen Vorarbeit.